Urkunde Kaiser Friedrich I. Barbarossa

Es bleibt kompliziert

Ein kleiner Überblick zu unseren bisherigen Erkenntnissen über mittelalterliche Namen im RG und allgemein.
Urkunde Kaiser Friedrich I. Barbarossa
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Mittelalterliche Nachnamen und die Probleme, die mit ihnen einhergehen

In unserem letzten Blogbeitrag[1]   schrieb Jan Engelhardt über die Schwierigkeit einer gemeinsamen Sprache zwischen Geschichte und Informatik am Beispiel der Komplexität mittelalterlicher Namen. Der Natur der Sache entsprechend kam dabei die Antwort auf die eigentliche Frage „Aber wie war es denn jetzt genau?“ etwas zu kurz. Einen kleiner Überblick zu unseren bisherigen Erkenntnissen über mittelalterliche Namen im RG und allgemein wollen wir in den folgenden Zeilen geben.

 

Stammsitz oder Herrschaftsgebiet? Adelsnamen

Bereits angesprochen in Teil 1 wurde der verbreitetste Nachname von Adeligen: Ein „von“ oder latinisiertes „de“ mit dem Stammsitz der Familie.  Die Herkunft dieser Praxis ist bis zum heutigen Tag nicht letztgültig geklärt. Zurecht hat Dieter Geuenich darauf hingewiesen, dass es ja gerade die Hochadeligen am wenigsten nötig hatten, sich von anderen Adeligen phonetisch abzugrenzen, verfügten sie doch bereits über ein solches Kriterium. Das wesentlich ältere germanische Leitnamensystem beschreibt weitergebene oder leicht variierte Vornamen innerhalb einer Familie. Oder anders gesagt: „Wenn Kaiser Friedrich II. (1198 – 1250) von Staufen nicht auf Burg Hohenstaufen lebte, warum nannte er sich dann so? Wenn es nur um Familienzusammengehörigkeit mit Friedrich I. (1152 – 1190) gegangen wäre, so teilten sich die beiden ja schon einen Vornamen.“ Ein größeres dynastisches Selbstverständnis und Repräsentationsbedürfnis im Hochmittelalter wird häufig als Argument abgeführt. Sehr wahrscheinlich schwappte der Trend, einen Herkunftsnamen zu führen von Adeligen auf Bürgerliche über, warum diese jedoch damit begannen, bleibt unklar.

Im Kontext des RG sind Herrschaftssitze jedoch nicht die einzigen möglichen Nachnamen. Eine Variante hierzu ist das „von“ zusammen mit einer ganzen Region, wie beispielsweise Katherina von Pommern (RG IV 01404).  Gerade Niederadelige tragen im Gegensatz dazu häufig einen bürgerlichen Nachnamen ohne „von“.  Eine Ausnahme zum klassischen Vorname-Nachname Schema innerhalb des RG Schemas ist die Angabe eines Titels nach dem Vornamen wie „Antonius, dux Brabantie“ (RG III 00009) oder „Wenceslaus rex Rom.“ (RG III 00159). Der letztgenannte Fall ist insoweit noch einmal besonders, dass zwar allen Historiker*innen klar ist, dass mit einem „römischen König“ das Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches gemeint ist und nicht etwa ein tatsächlicher Machthaber aus Rom, für einen Computer dies jedoch noch einmal ausdifferenziert und definiert werden muss.

Heinrich aus Bocholdt, auch genannt Foet. Bürgerliche Namen und ihre Varianz

Bereits gesagt wurde, dass Bürgerliche ebenso wie Adelige Herkunftsnamen als Zweitnamen trugen. Ab wann es sich bei diesen jedoch um tatsächliche Nachnamen und nicht mehr um Beschreibungen handelt, ist schwer abzusehen. Bei einem Berufsbezeichnungsnamen wir Müller ist die Abgrenzung noch klar. Sobald ein Mann Müller heißt, obwohl er gar kein Müller ist, sondern nur seine Vorfahren Müller waren, so ist es zu einem Familiennamen geworden.[1] Steht in einem großen Verzeichnis wie dem RG jedoch nur ein „de“ mit einem Ort ist oftmals nicht abzusehen, ob es sich um Beschreibung oder Familiennamen handelt. Zusätzlich kommt eine gewisse Variabilität hinzu.  Henricus de Bocholdia wird auch Foet genannt. (RG III 00057) Ob nun beides sein Nachname ist oder eines davon nur eine Beschreibung ist und bleibt ungeklärt, zumal Nachnamen von Bürgerlichen für das gesamte Mittelalter niemals durch eine Rechtsnorm festgelegt wurden.

 

[1] Geuenich, Dieter. "Zur Entstehung und Entwicklung der Familiennamen im hohen Mittelalter". Band VI Namenforschung und Geschichtswissenschaften. Literarische Onomastik. Namenrecht. Ausgewählte Beiträge (Ann Arbor, 1981), hrsg. von, Berlin, Boston: Max Niemeyer Verlag, 2017, pp. 41-48. https://doi.org/10.1515/9783110918588-006Externer Link

Wir wissen zu wenig und alle heißen Johannes. Weihenamen und Ordensnamen

Neben den Nach- und Familiennamen geht es in diesem Beitrag auch um Vornamen. Bei Mittelalterlichen Vornamen denkt man häufig an Hildegard, Friedrich und Otto, doch der häufigste Name war bei weitem Johannes. Mit vielen Variationen war jener Name sprichwörtlich in aller Munde, denn die männliche Mehrheit hieß Johannes, Johann, Hans und co. Doch was bedeutet dieser Name? Dazu gibt es verschiedene Theorien, die alle ihren Ursprung in dem Exportschlager der Spätantike zu finden sind, dem Christentum. Namen sind ein wichtiger Teil der eigenen und der fremden Identität.[1] So wurden die Stämme nördlich der Alpen von römischen Autoren als „Germanen“ bezeichnet und damit eine fremde Identität erschaffen, die bis heute anhält. Der eigene Name wird in der Regel ebenfalls von Fremden gewählt, meist den eigenen Eltern. Mit bedeutungsvollen Vornamen versuchte man eine Verbindung zu etwas zu schaffen und oder eine Eigenschaft festzulegen. Betrachten wir das Beispiel Johannes bzw. Johann. Die Bedeutung ist simpel und zugleich komplex – Gott ist gnädig. Diese Aussage ist ein Segenswunsch sowie eine deutliche Einordnung der Person in den christlichen Glauben. Insbesondere ist es eine Anspielung auf den bekanntesten Johannes in der Bibel – Johannes, der Täufer Jesu Christi. Der Bezug auf diese besondere Person, die auch den Rite de Passage vom Paganismus und Judentum hin zum Christentum geprägt hat und damit das erste Sakrament begründete. Damit wird klar, diese Person ist ein Christ! Ebenfalls spielt der Apostel Johannes eine wichtige Rolle, der mitunter der als Lieblingsjünger Jesu in der Bibel bezeichnet wird. Nomen est omen – Gott ist gnädig.

 Der religiöse Teil der Identität ist somit bereits bestimmt. Doch wie sah es in den christlichen Institutionen aus, den Klöstern und dem Papsttum? Besonders im 13. Jahrhundert, der Zeit der Bettelorden, wurden Namen mitunter als eine weitere Identifikation des neuen Mitglieds verwendet. Beispiele finden sich zum Beispiel bei den Franziskanern und der Namensgebung des Ordensgründers. Sein ursprünglicher Name lautete Giovanni, welches die italienische Variante des Namens Johannes ist. Aus Quellen geht hervor, dass seine Mutter diesen Vornamen aus starken religiösen Gründen gewählt hat. Hingegen entstammt sein Ordensname bzw. sein zweiter Vorname einer anderen Quelle, die ihm ebenfalls eine bestimmte Identität zuordnete. Sein Vater benannte ihn auf eigenen Wunsch um, quasi als Erinnerung an das Land und die Menschen, bei denen er längere Zeit sich aufhielt - Franzosen. Diese Namensänderung wurde im weiteren Verlauf des Ordens weiterverfolgt. Andere Beispiele finden sich unter anderem bei Bonaventura oder Salimbene. Die Änderung des Namens bei Ordenseintritt war ebenfalls bei den Schwesternschaften normal. Im Italien des 13. Jahrhunderts waren wohlklingende Namen, die eine besondere Eigenschaft andeuteten, recht weit verbreitet. Aus Grazia wurde eine Schwester Illuminata, aus Ginevra eine Benedetta. Eine Feminisierung christlicher männlicher Vornamen war ebenfalls eine häufig angewandte Methode.

Durch die rasante Verbreitung der Bettelorden im 13. Jahrhundert waren Namen nicht nur ein Ausdruck ihrer Religiosität, sondern auch Teil einer internationalen gemeinsamen Identität. Wenn sich ein Orden in einer anderen Region oder anderem Land niederließ, trafen die Ordensbrüderhäufig auf Einheimische, die sich ihnen anschließen wollten. Stellenweise waren den Bettelorden die Namen zu fremd klingend, sodass man die neuen Brüder mit einem allgemein bekannten Namen aus der Bibel, meist Apostel, ausstattete. Zum Beispiel wurde aus dem Würzburger Harthmut Bruder Andreas.[2]

Auch in anderen Orden wurden die Namensänderungen der Neulinge immer mit verschiedenen Bezügen zu Tagesheiligen oder geistlichen Vorbildern ausgewählt. Eine Besonderheit stellen allerdings die Päpste dar, die mit dem Amtsantritt und der eigenen Erwählung eines Namens ihrer Herrschaft eine Identität verleihen wollten.

[1] https://www.mephisto.uni-jena.de/blog/%E2%80%9Ees+ist+kompliziert%E2%80%9CExterner Link

[1] Härtel, Rainhard. "Selbstbenennung und Fremdbenennung im hohen Mittelalter". Band VI Namenforschung und Geschichtswissenschaften. Literarische Onomastik. Namenrecht. Ausgewählte Beiträge (Ann Arbor, 1981), hrsg. von , Berlin, Boston: Max Niemeyer Verlag, 2017, pp. 91-114. https://doi.org/10.1515/9783110918588-010Externer Link

[2] Rolker, Christoph: „Man ruft dich mit einem neuen Namen ...“: Monastische Namenspraktiken im Mittelalter,in: Rolker, Christoph; Signori, Gabriela (Hg.): Konkurrierende Zugehörigkeit(en): Praktiken der Namensgebung im europäischen Vergleich, Konstanz 2011, S. 195-214.

 

Handschrift Dictatus Papae

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Gregor, Gregor und Gregor oder wie eine Idee zu Streit führte

Ein interessanter Fall bei der eigenen Namenswahl war Gregor VII. (1073 – 1085). Sein Vorbild für seine Herrschaft und die angestrebten Veränderungen der Kirche war Gregor I. (590 – 604) . Nach seiner, in der Forschung kontrovers diskutierten, Wahl zum Papst, entschied sich Hildebrand für den Papstnamen Gregor. Betrachtet man seine Wahl und sein Wirken als „Mönchspapst“ zeigen sich deutliche Parallelen zwischen ihm und Gregor dem Großen.[1] Bereits einer seiner Vorgänger Gregor VI., mit dem er eng vertraut war, orientierte sich kirchenpolitisch stark an dem vierten lateinischen Kirchenlehrer.[2] Gregor VII. versuchte die Kirche weiter zu reformieren, verfolgte besonders die Themen Simonie, Ordination und Zölibat und geriet mit König Heinrich IV. in den interessantesten Streit des Hochmittelalters, dem Investiturstreit. Mit seinen Dictatus Papae formulierte Gregor einen Anspruch, der ganz im Geiste Gregors des Großen gewesen war, nämlich den Einfluss und die Geltung des Bischofs von Rom über die weltlichen Kräfte zu stellen.  Ferner wollte Gregor VII. die absolute Macht über die weltlichen Herrscher, damit eine Welt nach seinen Vorstellungen errichtet werden konnte. Letztlich verlor Gregormit stellenweise wahnwitzigen Methoden wie Exkommunikation eines Königs und seines Gefolges diese Schlacht, gewann aber letztlich für das Papsttum den Krieg. Seine Ideen wurden über die folgenden Jahrhunderte hinweg immer wieder aufgegriffen, im besonderen Maße wieder im Deutschen Thronstreit (1198 – 1208) unter Innozenz III. (1198 – 1216).

Man erkennt folglich, dass ein Name nicht nur die Identität dieses Papstes stiftet, sondern die personifizierte Weiterentwicklung einer universalen Idee ist. Die Gregorianischen Reformen erfuhren im Mittelalter eine besondere Bedeutung und zeichneten ein neues Bild des Papsttums.

 

 

[1] Markus, Robert Austin. "Gregor I., der Große (ca. 540–604)". Theologische Realenzyklopädie Online: Gottesdienst - Heimat. Berlin, New York: De Gruyter, 2010. https://www.degruyter.com/database/TRE/entry/tre.14_135_32/htmlExterner Link. Accessed 2021-09-29.

[2] Blumenthal, Uta-Renate. "Gregor VII., Papst (1073–1085)". Theologische Realenzyklopädie Online: Gottesdienst - Heimat. Berlin, New York: De Gruyter, 2010. https://www.degruyter.com/database/TRE/entry/tre.14_145_34/htmlExterner Link. Accessed 2021-09-29.

Literatur

Geuenich, Dieter. "Zur Entstehung und Entwicklung der Familiennamen im hohen Mittelalter". Band VI Namenforschung und Geschichtswissenschaften. Literarische Onomastik. Namenrecht. Ausgewählte Beiträge (Ann Arbor, 1981), hrsg. von, Berlin, Boston: Max Niemeyer Verlag, 2017, pp. 41-48. https://doi.org/10.1515/9783110918588-006Externer Link

Härtel, Rainhard. "Selbstbenennung und Fremdbenennung im hohen Mittelalter". Band VI Namenforschung und Geschichtswissenschaften. Literarische Onomastik. Namenrecht. Ausgewählte Beiträge (Ann Arbor, 1981), hrsg. von , Berlin, Boston: Max Niemeyer Verlag, 2017, pp. 91-114. https://doi.org/10.1515/9783110918588-010Externer Link

Rolker, Christoph: „Man ruft dich mit einem neuen Namen ...“: Monastische Namenspraktiken im Mittelalter,in: Rolker, Christoph; Signori, Gabriela (Hg.): Konkurrierende Zugehörigkeit(en): Praktiken der Namensgebung im europäischen Vergleich, Konstanz 2011, S. 195-214.

Markus, Robert Austin. "Gregor I., der Große (ca. 540–604)". Theologische Realenzyklopädie Online: Gottesdienst - Heimat. Berlin, New York: De Gruyter, 2010. https://www.degruyter.com/database/TRE/entry/tre.14_135_32/htmlExterner Link. Accessed 2021-09-29.

Blumenthal, Uta-Renate. "Gregor VII., Papst (1073–1085)". Theologische Realenzyklopädie Online: Gottesdienst - Heimat. Berlin, New York: De Gruyter, 2010. https://www.degruyter.com/database/TRE/entry/tre.14_145_34/htmlExterner Link. Accessed 2021-09-29.