Haupteingang der Universität Jena

Mephisto und die interdisziplinäre Lehre

In diesem Blog-Beitrag geht es um die Verbindung von Forschung und Lehre im Bereich der Digital Humanities. In der universitären Lehre sind die Digital Humanities oftmals nicht Teil des regulären universitären Curriculums. Im Folgenden werden die notwendigen Voraussetzungen für Studierende und Lehrende anhand unserer eigenen Lehre dargestellt. Dabei versteht sich dieser Beitrag auch als ein Ideengeber dafür, wie eine interdisziplinäre Lehre im Bereich der Digital Humanities aussehen kann.
Haupteingang der Universität Jena
Foto: Mephisto

Meldung vom: | Verfasser/in: Anja Rusche

Lehrende und Studierende - eine Lern- und Forschungsgemeinschaft

Noch heute sind die Vorurteile gegenüber den Digital Humanities sehr groß, daher wird es oftmals nicht in das universitäre Curriculum aufgenommen. Dies stellt sich spätestens in der Phase der Abschlussarbeiten oder der Promotionsphase als Problem heraus. Studierende würden gern mit digitalen Methoden arbeiten, da ihnen aber die erforderlichen Kenntnisse fehlen und diese nicht innerhalb von wenigen Monaten nachholbar sind, müssen sie dann auf andere Themenbereiche ausweichen, Daher können die digitalen Geisteswissenschaften nur durch inklusive und interdisziplinäre Lehrveranstaltungen zukünftige Forscher*innen die Methoden der Digital Humanities näher zu bringen und den Studierenden weitere Perspektiven abseits des klassischen Lehrbetriebes aufzeigen. Darüber hinaus sollen Studierende lernen, auf einem interdisziplinären Niveau zu arbeiten und jeweils die Methoden des anderen Faches kennenzulernen.

Deswegen werden im Rahmen des universitären Lehrbetriebs durch Mitglieder unserer Forschungsgruppe regelmäßig Seminare und Übungen im Bereich der Digital Humanities und der Künstlichen Intelligenz speziell für Geisteswissenschaftler angeboten. Besonders bei Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt Digital Humanities wird auf eine interdisziplinäre Ausrichtung geachtet, damit sowohl Historiker*innen als auch Informatiker*innen daran teilnehmen können. Aufgrund von Rückmeldungen zeigt sich, dass solche Veranstaltungen nicht nur ein Desiderat für die Studierenden sind, sondern auch für andere Personen im universitären Umfeld.

Als aus unserer Sicht zielführend hat sich dabei eine Durchmischung der Studierenden innerhalb der Veranstaltung herausgestellt. Das Angebot sollte sich sowohl an Master- als auch an Bachelor-Studierende richten. Diese Mischung aus „alten Hasen“ und „jungen Hüpfern“ kann für interessante Erkenntnisse sorgen und zeigt vor allem, dass interdisziplinäre Arbeit in jeder Station des Studiums möglich ist. Neben den Fachstudierenden sollte man den Bereich der Lehramtsstudierenden nicht vernachlässigen, da diese bereits aufgrund ihres Studiums interdisziplinär arbeiten können.

 

Ein wichtiges Ziel für das Gelingen einer Veranstaltung im Bereich der Digital Humanities ist, dass sowohl Lehrende aus beiden Disziplinen als auch Studierende gemeinsam Neues entdecken, gemeinsam forschen im kleinsten Rahmen und Erkenntnisse aus den verschiedenen Disziplinen mitnehmen können. Es bietet sich also an, das sich Historiker*innen und Informatiker*innen jeweils in den Bereichen des anderen bilden, beispielsweise in Methodik, Hintergrundwissen und damit verbunden auch der aktuellen Forschungslage. Damit sind wichtige Grundlagen für eine gemeinsame Forschung im Rahmen einer universitären Veranstaltung gegeben. Besonders interessant wird es für Lernende und Lehrende, wenn sich die Beispiele in den Seminaren und Übungen  auf aktuelle Forschungsthemen beziehen, wie etwa im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts.

Datenstruktur in Python

Foto: Oskar Jauch

Ein Beispiel aus der Lehre

An dieser Stelle wird beschrieben, wie man die oben angeführten Punkte realisiert hat und wie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Rahmen eines Seminars aussehen kann. Angeboten vom Historischen Institut unter der Leitung von Sina Zarrieß (Junior-Professorin für Digital Humanities) und Robert Gramsch-Stehfest (Apl. Professor für Mittelalterliche Geschichte) wurde im Sommersemester 2020 eine Übung zu Text Mining in historischen Quellen durchgeführt, die sich besonders an Studierende der Geschichtswissenschaften und der Informatik richtete. In diesem Seminar gab es zunächst einführende Sitzungen in die Digital Humanities, die grundlegenden Kenntnisse der Informatik, die für die Arbeit im Seminar benötigt wurden, vermittelten, sowie eine Einführung in die konkret behandelte Quellengattung samt kritischer Würdigung der Materie. Ziel des Seminars war es, einen Workflow zu entwickeln, um Namen aus dem Repertorium Germanicum zu extrahieren (Named Entity Recognition). In jeder Sitzung wurden Aufgaben, Probleme und Lösungswege besprochen. Historiker*innen und Informatiker arbeiteten an den verschiedenen Schritten zusammen. Ein Ergebnis dieser Übung wurde bereits in einem früheren Blog-Beitrag von Oskar Jauch vorgestellt.[1] Man entschied sich, mittels XML und IBO-Tagging einen ersten Parser zu entwickeln, um Personennamen aus dem dritten Band des Repertorium Germanicum herauszuziehen. Im Laufe der Übung wurden die jeweiligen Arbeitsschritte und die aufgetretenen Probleme im Plenum besprochen. Lehrende und Lernende traten in einen regen Austausch auf Augenhöhe. Die Arbeitsteilung war einfach: man besprach sich mit den Informatikern, diskutierte Möglichkeiten und Beschränkungen, welche dann mittels Python in Form gegossen wurden. Die Auswertung der Daten wurde dann im nächsten Schritt händisch überprüft, um Feedback für die weiteren Entwicklung zu geben. An dieser Stelle konnten Historiker*innen zur Tat schreiten und ihre Expertise an den Datensätzen anwenden. Ein Problem war, dass die Namen in einem frühen Stadium des Parsers nicht genau erkannt wurden. Das weitere Problem war die aufgetretene Sprachbarriere, denn die Quellensprache des Repertorium Germanicum ist Latein  und glänzt mit vielen Abkürzungen, die eine intensive Einarbeitung erfordern. Es ist für Informatiker*innen genauso unverständlich wie Zeilen in Python für Historiker*innen. Und doch braucht man beides, um ein Tool zu entwickeln, welches die Namen aus dem RG extrahieren kann. Am Ende der Übung wurden die Ergebnisse und die Diskussion in das laufende Forschungsprojekt Mephisto überführt. Studierende haben in einer Lernumgebung aktiv Forschung betrieben, die höchst aktuell ist.

Im Laufe der letzten Semester wurden verschiedene Veranstaltungen im Rahmen der Digital Humanities und unseres Forschungsprojekts abgehalten. Die Ergebnisse und Arbeitsweisen wurden im Seminar entwickelt und flossen mit in das Projekt hinein.

[1] https://www.mephisto.uni-jena.de/blog/probleme+und+potentiale+eines+rg-parsersExterner Link

Zukunftsvisionen und Ausblick

Die oben beschriebene Arbeitsweise kann und sollte weiter ausgebaut werden, denn sie bringt entscheidende Vorteile mit sich. Vor allem natürlich für die Studierenden, die  mit Anleitung aktiv Forschung betreiben können, abseits der alteingesessenen Wege mit neuen Methoden und in einer interdisziplinären Forschungsumgebung. Für die Forschung, um aktiv Nachwuchs zu gewinnen, der sich bereits in den Gebieten der Digital Humanities auskennt, und um neue Perspektiven in die Forschung zu bringen. Der klassische Weg der Quellenarbeit wird dadurch nicht abgelöst, sondern vielmehr erweitert und in die moderne Zeit katapultiert. Diese neuen Wege sollten als eine Möglichkeit der Modernisierung und Erweiterung der historischen Hilfswissenschaften/Methoden verstanden werden, die nicht nur neue Erkenntnisse liefern kann, sondern auch älteren Forschungen eine breitere Perspektive verschafft. Es ist ein weiterer Schritt in die Gefilde der schönen neuen, und vor allem, digitalen Welt.