Conrad von Soest - Die Geburt Christi (1404)

Kuriale Weihnachten – Die Tätigkeit der römischen Kurie während der Feiertage zu Christi Geburt

In diesem Blog-Beitrag dreht sich alles um die heiligste Zeit des Christentums – die Ankunft Christi, auch Weihnachten genannt. Obwohl die Weihnachtstage auch im Spätmittelalter Feiertage waren, ruhte die Arbeit an der römischen Kurie nicht. Deswegen stellen wir in unserem weihnachtlichen Blog-Beitrag einige Auszüge von Suppliken aus dem dritten Band des Repertorium Germanicum vor, die zwischen dem 24. und 26. Dezember an der Kurie eingegangen sind oder von kurialen Schreibern bearbeitet wurden.
Conrad von Soest - Die Geburt Christi (1404)
Foto: Wikimedia Commons

Meldung vom: | Verfasser/in: Robert Gramsch-Stehfest, Clemens Beck & Anja Rusche

Weihnachtsgeschenke für den Adel - Ablässe, Privilegien und Dispense

Der Herzog Ulrich von Teck und seine Frau Anna von Polen wandten sich im Jahre 1413 mit verschiedenen Bitten an die Kurie.[1] Die Sorge um ihr Seelenheil zu Christi Geburt war der Grund für die Dringlichkeit ihres Anliegens. Deswegen baten Herzog Ulrich und seine Frau um einen Ablass für einen nicht näher bestimmten Zeitraum sowie um das Privileg des locis interdictis[2]. Dabei handelte es sich um ein persönliches Privileg, wonach die Privilegierten in Orten, in denen Gottesdienste aufgrund eines Interdikts eigentlich verboten sind, trotzdem die Messe hören dürfen. Ulrich und Anna konnten sich über eine reingewaschene Seele zu Weihnachten freuen, da alle Ablässe erteilt wurden. Aus Sorge um das Seelenheil wandten sich auch andere hochrangige Adlige und ihre klerikalen Verwandten in dieser speziellen Zeit an den Papst.

Der Herzog von Schlesien, identifiziert als Konrad V. von Oels (1381/1387 - 1439), und seine Frau Margaretha († 1449/1450) baten am 26. Dezember 1411 um die Erlaubnis, einen eigenen Beichtvater wählen zu dürfen.[3] Ebenfalls taucht an dieser Stelle wieder das Privileg des locis interdictis auf. Dies lässt auf die Möglichkeit schließen, dass über ihre Heimatregion ein kirchliches Interdikt verhängt worden war. Am gleichen Tag verzeichnen die päpstlichen Register eine weitere Bitte an die Kurie. Sie erbaten für die Zukunft die Erlaubnis, dass bei einer erneuten Schwächung der Kirche – gemeint ist ein erneutes Interdikt – in dem jeweiligen Ort in ihrem Herrschaftsgebiet trotzdem die kirchlichen Sakramente gespendet, die Messen gefeiert und im Falle eines Todes ein kirchliches Begräbnis durchgeführt werden konnten. Damit versuchte Konrad die Auswirkungen eines Interdikts in seinem Herrschaftsgebiet zu begrenzen.  Ab 1412 übernahmen er und später auch sein Bruder Herzog Konrad IV. der Ältere die erbliche Verwaltung des Herrschaftsgebiets. Da Konrad IV. zum Klerus gehörte, fiel die Ausübung der Regentschaft an seine weltlichen Brüder.  

Der bereits genannte Bruder Konrads V., Konrad IV., erhielt einige Tage vor seinem Bruder, am 24. Dezember 1411, ein päpstliches Mandat.[4] Er hatte sich zuvor sich um ein Archidiakonat an der Domkirche von Breslau beworben, das nach dem Tod des ehemaligen Inhabers Theophil von Oppeln vakant war. Pikant an dieser Supplik war dabei, dass Konrad IV. bereits Dompropst von Breslau war. Weil die gleichzeitige Besetzung beider Ämter durch eine Person kirchenrechtlich nicht zulässig war, erbat er einen Dispens, um beide Ämter auf Lebenszeit gemeinsam bekleiden zu können. Durch die Ausstellung des päpstlichen Mandats wurde ihm schlussendlich das Archidiakonat von Breslau zusätzlich zur Dompropsteigewährt.

 

Weihnachtsgeschenke für das Volk - Ablässe, Appellationen und Urkunden

Neben den Suppliken der Herzöge von Teck und Schlesien traten auch nicht-adelige Personen als Supplikanten zu Weihnachten auf. So trat zum Beispiel am 24. Dezember 1413 Johannes, Truchsess von Waldburg, zusammen mit seiner Frau Ursula an die Kurie heran, mit der Bitte ihren Beichtvater frei wählen zu dürfen. Darüber hinaus erbaten die Eheleute einen Ablass.[5] Beide Suppliken waren erfolgreich, sodass Johannes und Ursula sich über dieses Geschenk zu Weihnachten freuen konnten.

Auch das alltägliche Geschäft ruhte nicht an Weihnachten. Johannes Pot wandte sich am 24. Dezember 1411 an die Kurie.[6] Er bat um die Übersendung der Urkunde über das Kanonikat und die Präbende der Kirche St. Petrus in Utrecht.

Neben diesen Suppliken gibt es allerdings auch jene, die eine langwierige Auseinandersetzung dokumentierten und daher eine dringende Behandlung auch während der Feiertage erforderten.  Am 26. Dezember 1413 erließ die römische Kurie einen Erlass, nachdem sich mehrere Bürger und Bürgermeister (proconsules) der Stadt Eger (Erhard und Sigismund Rudusch, Albert Franckengruner und Rüdiger Juncker) in der Diözese Regensburg an die Kurie um eine juristische Appellation gegen den Urteilsspruch des Ritters Stephan von Appsberg und der Nürnberger Burggrafen Johannis und Friedrich (von Hohenzollern) gewandt hatten.[7] . Der Prozess richtete sich gegen Personen, die als die Brüder Nickel der Jüngere, Wilhelm, Heinrich und Caspar benannt werden. Diese waren Knappen eines Herrn Forster auf den Burgen Schlechtenkulm und Rauhenkulm.[8] Die Brüder hatten gemeinsam mit dem – inzwischen abgesetzten - römischen König Wenzel von Böhmen das sogenannte „Newhaus“ in der Stadt Eger zerstört. Es ist überraschend, dass die römische Kurie bei einem langjährigen Rechtsstreit eine so hohe Dringlichkeit sah, dass trotz der Feiertage ein päpstliches Schreiben ausgestellt wurde.

Am bekanntesten ist vielleicht der Name des letzten Supplikanten, der sich an Weihnachten an die römische Kurie wandte. Am 25. Dezember 1411 verzeichnet das päpstliche Register den Eingang einer Supplik von Judocus van der Paele. In dieser bat er um eine Pfründe als Kanoniker in der Kirche St. Donatianus in Brügge in der Diözese Tournai. Des Weiteren gibt er an, bereits eine weitere Pfründe in St. Thomas in Straßburg zu besitzen. Judocus van der Paele greift dabei auf die Netzwerke seines älteren Bruders Joris van der Paele zurück. Dieser war ein Kurialer mit einer beeindruckenden Pfründenkarriere[9], der bereits Pfründen in St. Donatius in Brügge und St. Thomas in Straßburg besaß. Später kehrte Joris van der Paele nach Brügge zurück und stifte im Jahr 1434 eine Kaplanei. Dabei beauftragte er Jan van Eyck mit der Ausführung des Altars, der – recht passend zu Weihnachten Maria mit dem Christuskind darstellte.

 

Jan van Eyck - Madonna des Kanonikus Joris van der Paele (1436)

Foto: Wikimedia Commons

Jan van Eyck - Madonna des Kanonikus Joris van der Paele (1436)

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Abschließende Bemerkungen - Die Geschenke der Kurie an die Bittsteller

Zusammenfassend zeigen die Beispiele, dass an diesem heiligen Festtag, der Geburt Jesu Christi, die Seelsorge im Vordergrund stand und das Erlassen von Sünden den wichtigsten Anlass für die Ausstellung der an Weihnachten ausgestellten Suppliken und Mandate darstellte. Doch auch alltägliche Pfründen- und Prozessangelegenheiten, die in der Kanzlei des Papstes anfielen, wurden zu einem der heiligsten Feste der Christenheit weiterbearbeitet.

Referenzen

[1] RG III 02084.

[2] Locis interdictis oder auch Interdictum locale genannt ist eine regionale Strafe der Kurie. Dabei dürfen keine Gottesdienste gefeiert und Seelsorge geleistet werden.  Ab dem Basler Konzil (1431 -1449) wurde die Wirkungsweise des locis interdictis etwas abgeschwächt.

[3] RG III 00441.

[4] RG III 00444.

[5] RG III 01176.

[6] RG III 01355.

[7] RG III 00633.

[8] Beides sind abgegangene Höhenburgen in der Nähe von Neustadt bei Kulm.

[9] RG III 00047 und RG III 00712.